Historisches rund um die Gemeinde
So stellte man sich Luthers Trauung im 19. Jh. vor: Gemälde von Paul Thumann, 1871.

Dieses Gemälde von Lucas Cranach zeigt Katharina im Jahr nach ihrer Hochzeit, 1526
Das Lutherhaus in Wittenberg, ehemals Augustinerkloster,
hier wohnte Familie Luther ab 1525.
500 Jahre „Herr Käthe“
13. Juni 1525 - Martin Luther heiratet Katharina von Borag
Im ehemaligen „Schwarzen Kloster“ (Augustinerkloster) in Wittenberg, das Martin Luther seit 1524 als Wohnsitz diente, fand am 13. Juni 1525 seine Vermählung mit Katharina von Bora durch seinen Freund, den Theologen Johannes Bugenhagen, statt. Zeugen der Trauung waren seine Freunde, der Gelehrte Justus Jonas und der Maler, Drucker und Unternehmer Lucas Cranach sowie dessen Frau Barbara. Was für uns heute wie ein schöner und romantischer Anlass klingt, war zu dieser Zeit ein unglaublicher Skandal: Ein abtrünniger Mönch, zudem unter Kirchenbann stehender verurteilter Ketzer und mit der Reichsacht belegt (wenngleich diese in seiner Heimat Sachsen nicht anerkannt wurde) geht die Ehe mit einer entlaufenen Nonne, die damit alle ihre Gelübde bricht, ein! Wie war es dazu gekommen?
Luther, einst ein sehr gewissenhafter Augustinermönch, der seine Gelübde und klösterlichen Pflichten sehr ernst nahm, begann, sich seit Beginn der 1520-er Jahre zunehmend von den mönchischen Regeln zu distanzieren und spätestens seit dem Wartburgaufenthalt 1521/22 auch die „Möncherei“ als solche in Frage zu stellen und kritische Schriften darüber zu verfassen. In seinem neuen Weltbild taugten keine guten, Gott scheinbar wohlgefälligen Werke mehr zur Erlangung der Seligkeit, auch nicht die asketische Lebensweise in den Klöstern. Inspiriert von Luthers Schriften, die argumentierten, dass die klösterlichen Gelübde nicht bindend seien, verließen landauf landab zahlreiche Nonnen und Mönche ihre Abteien. Unter ihnen auch die junge Zisterziensernonne Katharina von Bora, die seit 1509 im Kloster Marienthron zu Nimbschen bei Grimma lebte, wo sie 1515 ihr Gelübde abgelegt hatte. Zusammen mit acht weiteren Nonnen floh Katharina an Ostern 1523 mit Hilfe des Torgauer Ratsherrn Leonhard Köppe und weiterer Fluchthelfer heimlich aus dem Konvent. Dass die abtrünnigen Nonnen in Heringsfässern auf einem Transportkarren aus dem Kloster geschafft wurden, gehört wohl ins Reich der Legende. Über Torgau gelangten die Frauen nach Wittenberg, wo Katharina zunächst im Haus des Stadtschreibers unterkam, bald aber im Hause Lucas Cranachs wohnte. Luther, der durch seine Schriften ja indirekt „Schuld“ an der Flucht trug, und seinen Gefährten oblag es, sich um die Flüchtigen zu kümmern und für ihr Auskommen zu sorgen. Die beste Möglichkeit für die Existenzsicherung der mittellosen Frauen war freilich eine gute Verheiratung, weshalb man sich bemühte, sie „an den Mann zu bringen“. Dies erwies sich gerade in Katharinas Fall aber als schwierig: Einem Kandidaten erlaubten seine Eltern nicht, eine abtrünnige Nonne zu ehelichen, einen anderen lehnte Katharina, die sehr gut wusste, was sie wollte, ab. Luther selbst, der vorher wohl nie an Verheiratung gedacht hatte, blitzte hingegen bei Ave von Schönfeld, einer weiteren entlaufenen Nonne, die einen Arzt heiratete, ab. Daraufhin schlug Katharina selbst die Ehe mit Luther vor - für die damalige Zeit absolut ungewöhnlich.
Wem diese Geschichte wie ein eher geschäftsmäßiges, nur mangels anderer Alternativen zustande gekommenes Arrangement, also eine durch und durch „unromantische“ Angelegenheit und damit zum Scheitern verurteilte Zweckbeziehung erscheint, der täuscht sich. Nach allem, was wir wissen, war die Ehe der Luthers eine glückliche. Katharina bekam sechs Kinder (von denen zwei ihre Eltern nicht überlebten - damals leider keine Seltenheit) und führte den Haushalt vorbildlich. Hierbei war sie aber keineswegs nur das „Heimchen am Herd“, sondern zeigte sich geradezu als Haushalts-“Managerin“. Sie betrieb eine Brauerei auf dem ehemaligen Klostergelände, für den Eigenbedarf ebenso wie für den Verkauf, sowie Viehhaltung und kaufte später noch Ackerland zu, um Lebensmittel selbst anzubauen. Sie befehligte die etwa 10 Bediensteten des Lutherschen Haushalts und kümmerte sich wohl auch mit Cranach zusammen um die Vermarktung der Schriften ihres Mannes. Für die Studenten der Wittenberger Universität bot Katharina Luther einen Mittagstisch an, der einerseits Geld einbrachte, andererseits auch dafür sorgte, dass im Hause Luther mittags die Tafel immer vollbesetzt war, mit Studenten oder eingeladenen Freunden der Familie. Bei diesen Gelegenheiten pflegte Luther seine berühmten „Tischreden“ zu halten, die von einigen der Zuhörer aufgeschrieben und später ebenfalls veröffentlicht wurden.
Luther scheint seiner Frau in fast allem freie Hand gelassen zu haben und sich nur dann eingeschaltet zu haben, wenn juristische Gründe seine Billigung, Unterschrift oder sonstige Handlungen erforderten. Andererseits hielt Katharina ihm für seine Tätigkeiten - Unterrichten, Predigen, theologische Studien und Schreiben - den Rücken frei, so dass er sich darauf völlig konzentrieren konnte. Wir können getrost davon ausgehen, dass er wusste, was er an ihr hatte. Das zeigt auch die liebevoll-augenzwinkernd-ironische Benennung seiner Frau als sein „Herr Käthe“, die uns von Luther überliefert ist und deutlich zeigt, wer (nicht nur aus seiner Sicht) im Hause Luther „die Hosen anhatte“.
Von diesem Kosenamen einmal abgesehen, nötigen uns das Selbstbewusstsein, die Geschäftstüchtigkeit und der wirtschaftliche Sachverstand Katharina Luthers, gerade im Kontext ihrer Zeit, bis heute großen Respekt ab. Gern werden außergewöhnliche Frauengestalten der Geschichte mit dem Etikett einer frühen „Feministin“ oder „Frauenrechtlerin“ belegt. Im Falle Katharina Luthers, geborene von Bora, geschieht das mit einiger Berechtigung. Ganz offenbar war sie nicht einfach nur „die Frau des großen Martin Luther“, sondern ihrem Gemahl ein gleichberechtigtes ernstzunehmendes Gegenüber.
Zu guter Letzt tritt uns der Luthersche Haushalt auch als das erste evangelische „Pfarrhaus“ gegenüber und hat das jahrhundertelange, heute nur noch selten anzutreffende Klischee vom Pfarrhaus mit einer stets offenen Tür und vielen Gästen, einem „Stall voll Kinder“, dem vielbeschäftigten Pfarrer und der Pfarrersfrau, die sich um alles kümmert und stets den Überblick behält, geprägt.
Benjamin Bork